Weihnachten

Weihnachten! Wir verbinden damit eine besondere Stimmung, einen Zeitraum, aber natürlich auch ein Motiv. Der Heilige Abend, die Heilige Nacht, die Weihnacht ist die Zeit vom 24.12., beginnend um 18 Uhr bis zum 25.12. um 6 Uhr. Mit der Weihnachtszeit meinen wir im Allgemeinen den Zeitraum vom Heiligen Abend bis zum Dreikönigstag, dem 6.01; die Weihenächte.
Weihnachten ist das Fest der Geburt des Kindes, des Jesus-Kindes oder einfach nur das Fest des Kindes. Diesem Fest geht die Adventszeit voraus. Advent heißt Ankunft. Wir haben es auf der einen Seite mit einem Annäherungsprozess zu tun und andererseits mit einem Prozess der Vorbereitung zum Empfang, zur Aufnahme. Himmelskräfte, die sich annähern; Erdenkräfte, die sich vorbereiten und aufnehmen wollen. Im Kind kommen Himmelskräfte auf Erden an, wollen in Empfang genommen werden. Es kann die Frage auftreten: Warum haben die kleinen Kinder – bis etwa zum dritten Lebensjahr – solch unwiderstehlichen Zauber, der jedes Herz berührt?
Das Rätselhaft-Wunderbare der Weihnacht
Den christlichen Festen liegen die Bibel und dort die Evangelien zu Grunde. Wir haben es mit vier Evangelien zu tun (Matthäus, Markus, Lukas, Johannes). Von der Geburt des Jesus-Kindes berichten das Matthäus und das Lukas-Evangelium.
Lesen wir die Weihnachtsgeschichte nach dem Lukas-Evangelium (2. Kapitel), was begegnet uns? Wir erfahren, dass Josef mit seiner schwangeren Verlobten Maria aus der Stadt Nazareth in die Stadt Bethlehem reisen muss, um sich registrieren zu lassen; dass das Kind in der Krippe in Windeln gewickelt liegt, weil in der Herberge kein Platz war. Der Engel des Herrn und anschließend ein himmlisches Heer erschien den Hirten, die bei ihrer Herde auf dem Feld waren. Die Hirten sahen die Engel und hörten deren Botschaft: Euch ist heute der Retter geboren. Sie machen sich auf den Weg, finden das Verheißene und erzählen, was ihnen widerfahren ist. Diejenigen, die es vernehmen wundern sich. In diesem Bild (Familie im Stall bei den Tieren – Engel – Hirten) liegen die Herzlichkeit, Freude, Wonne und Rätselhaft-Wunderbare der Weihnacht; diejenige Stimmung, die wir gerne mit Weihnachten verbinden.
Lesen wir die Weihnachtsgeschichte nach dem Matthäus-Evangelium (1. und 2. Kapitel), erfahren wir: Als Jesus in Bethlehem geboren worden war, kamen Magier (griechisch magoi = Sterndeuter, Priesterweise, Könige), die einem Stern folgten. Sie befragen den amtierenden Herrscher Herodes nach dem neugeborenen König der Juden. Mit dem Hinweis, dass dies in Betlehem geschehen soll, ziehen sie weiter. Der Stern führt sie und bleibt an dem Ort stehen, an dem das Kind sich befindet. Sie treten ein in das Haus, um dem Kind zu huldigen und geben ihre Schätze (Gold, Weihrauch und Myrrhe). Anschließend erfolgt der Rückweg der Könige (aufgrund eines Traumes) und die Flucht der Familie nach Ägypten (nach Anweisung eines Engels) und der Kindermord (aller Knaben bis zum Alter von zwei Jahren) in ganz Bethlehem und Umgebung.
Zwei Bilder und Stimmungen
Was liegt in diesem Bild, welche Stimmung kommt uns da entgegen? Stern – Könige – Haus – Flucht – Kindermord. Ist es nicht eine feierlich getragene, ernste, tragische Stimmung? Unabhängig aller theologischen Diskussionen und christlicher Konfessionen, bei aller Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit der Bibel gegenüber: Wir werden mit zwei grundverschiedenen Bildern (und Stimmungen) konfrontiert: das Bild der Familie im Stall mit den Hirten und den Engeln – das Bild der Familie im Haus mit dem Stern und der Huldigung von Königen, Flucht und Kindermord.
Bei uns in der Familie haben wir es so gehandhabt, dass für den Heiligen Abend das Bild nach dem Lukas-Evangelium stand. Es waren zu sehen: die Familie im Stall bei den Tieren, Engel, Hirten und Schafe. Im Laufe der Weihenächte, also bis zum 6.1., dem Tag der heiligen drei Könige, änderte sich das Bild: Bis etwa dem 31.12. waren die Hirten mit den Engeln abgezogen, der Stall verschwunden und die Könige mit dem Stern erschienen auf dem Weg, bis sie am 6.1. vor einer Maria, die ihr Kind auf dem Schoß hielt, angekommen waren.
Weihnachten verbinden wir auch gerne mit Schnee. Die Kräfte, die in der Himmelsluft für unsere Wahrnehmung verborgen wirken, kristallisieren sich in den Schneeflocken und werden dadurch für uns sichtbar. Welche wunderbare Welt der Formen sehen wir in ihnen? Die im Umkreis der Erde wirkenden Himmelskräfte werden, in dem sie als Schneeflocke zur Erde kommen, sichtbar, wahrnehmbar, erlebbar. Die Schneeflocken werden schmelzen. Die für einen Moment sichtbar gewordenen Himmelskräfte sind in der Erde verschwunden, und ich weiß, im Frühjahr werden diese Kräfte in den Gestaltungen, den Formen der Blumen wieder – aber anders und neu – erscheinen.
In jedem Kind kommen Himmelskräfte auf die Erde, die in den ersten drei Lebensjahren wahrnehmbar und erlebbar werden. Dann tauchen sie ab, verschwinden in der Persönlichkeit. „Wenn ihr nicht umkehret und werdet wie die Kinder, kommt ihr nicht ins Himmelreich.“ Für uns als Erwachsene ist das Kind in seiner Existenz, in seinem So-Sein, das heißt in seinem Darleben von Himmelskräften auf der Erde Vorbild. Und es ist an uns diese Formen und Kräfte als Erwachsene – anders und neu – zur Erscheinung zu bringen.
Verfasser: Uwe Dietrich